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31.07.2006 / Inland / Seite 4

Leben jenseits von Kommerz unerwünscht

Mit Hubschrauber und Großaufgebot zerschlug die Polizei ein Anarcho-Festival in Freiburg. Dutzende Teilnehmer vorübergehend festgenommen

»Es ist der Polizei gelungen, das Ding zu zerschlagen«, so bilanzierte ein Sprecher des Do-it-yourself-Festival in Freiburg am Sonntag gegenüber jW den Versuch mehrerer hundert Teilnehmer aus dem In- und Ausland, ein Leben jenseits von Kommerz und Kapitalismus auszuprobieren. Nach der gewaltsamen Auflösung eines Anarchisten-Camps rund um den Freiburger Bauwagenplatz »Schattenparker« am Freitag nachmittag ging die Polizei auch am Sonnabend massiv gegen die Teilnehmer des Festivals vor.

Ein Großaufgebot der »Ordnungshüter« kontrollierte am Sonnabend die Freiburger Innenstadt und verhinderte eine unter dem Slogan »Reclaim the Street!« angekündigte Demonstration. »Linksalternativ« aussehende Passanten erhielten Platzverweise, ein Lautsprecherwagen wurde beschlagnahmt, 300 Demonstranten eingekesselt. Teilnehmer berichteten von mehreren Verletzten durch Schlagstockeinsatz. Während der Ermittlungsausschuß von rund 60 Fest- und Gewahrsamnahmen im Umfeld der zerschlagenen Demonstration ausgeht, ist im Polizeibericht lediglich von 27 Inhaftierten die Rede, denen Mißachtung ausgesprochener Platzverweise, Widerstand gegen die Staatsgewalt und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vorgeworfen werden. Alle kamen bis Sonntag wieder frei. Der verantwortliche Polizeiführer Drescher rechtfertigte den Polizeieinsatz gegenüber junge Welt, da die Demonstration nicht angemeldet gewesen sei.

Es habe eine mündliche Abmachung mit der Polizei über die Durchführung der Veranstaltung gegeben, heißt es dagegen in einem Bericht auf dem Internetportal Indymedia. Für die Festivalteilnehmer völlig unerwartet hatte die mit mehr als 80 Fahrzeugen und einem Hubschrauber anrückende Polizei am Freitag nachmittag das Campgelände in einem Industriegebiet umstellt. Die Personalien aller rund 200 Anwesenden wurden kontrolliert und zwei Personen festgenommen. Alle nicht aus Freiburg stammenden Festivalteilnehmer erhielten Platzverweise bis Montag. Lediglich die Bewohner des von der Stadt geduldeten Bauwagenplatzes »Schattenparker« durften bleiben. Offizieller Grund für den Polizeieinsatz war eine Auseinandersetzung zwischen mutmaßlichen Festivalteilnehmern und der Polizei in der Nacht zum Freitag. Rund 100 Personen hatten die Festnahme eines Graffitisprayers durch Sitzblockaden zu verhindern versucht. Durch einen Flaschenwurf wurde dabei ein Polizei schwer am Auge verletzt.

Entgegen anderslautender Medienberichte scheint die Verletzung des Polizeibeamten nur der Vorwand für die Räumung des Platzes gewesen zu sein. So lag bereits vorher eine Allgemeinverfügung der Stadt Freiburg zur Räumung vor, da der Besitzer des Geländes zwar die »Schattenparker«, nicht aber die anderen dort campierenden Leute dulden wollte. »Sie haben sich einen Grund gesucht und gefunden, um ein politisch unbequemes Festival mundtot zu machen«, meint eine Teilnehmerin des Festivals. Auf einem Plenum des autonomen Zentrums KTS, das zu den Veranstaltern des Festivals gehörte, bestand Einigkeit, daß zwar die Solidarisierung mit dem festgenommenen Sprayer richtig war, die schwere Augenverletzung des Polizisten wurde aber bedauert. Auch im Festivalprogramm heißt es ausdrücklich, daß »gewaltätige Aktionen nicht geplant und nicht erwünscht sind«. < Quelle: http://www.jungewelt.de/2006/07-31/028.php

 

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